Wenn eine Freundschaft endet

Jeder hat es aus der einen oder anderen Sicht sicher schon mal erlebt. Eine lieb gewonnene/r Freund/in zieht sich plötzlich zurück oder beendet die Freundschaft sogar ganz offiziell. Oder du hast selbst schon mal dieses Gefühl gehabt, dass du eine Freundschaft lieber beenden möchtest, weil es für dich nicht mehr stimmig war.

So geht eben jeder von uns seinen Weg ganz allein und verändert sich im Laufe des Lebens auf ganz natürliche Weise. Äußere Einflüsse formen unser Inneres. Und unser Inneres ist ganz maßgeblich daran beteiligt, ob Beziehungen zu Menschen funktionieren. Dann kommt eben manchmal der Punkt, an dem genau das bei zwei sich liebenden Menschen passiert. Jeder entwickelt sich fort und plötzlich passt es nicht mehr zusammen. Man versucht alles, diese Freundschaft zu retten, aber am Ende gibt es meist einen, der mehr investiert. Für diesen wird es dann schnell zur Zerreißprobe. Kraft und Energie gehen verloren und ganz zum Schluss fühlt man sich irgendwie blöd.

Ja. Das kann alles passieren und genau dann ist es wichtig, dass man sich Gedanken darüber macht, ob man in diese Freundschaft noch Lebensenergie hinein geben kann und will. Ist die Antwort „Nein“, dann ist es wohl die aufrichtigste Art und Weise, wenn man sich offiziell trennt. Also wenn man seinem/r Freund/in sagt, dass diese Freundschaft nun zu Ende gegangen ist.

Dies kann unglaublich befreiend wirken und wenn man es schafft, dies alles ganz liebevoll und in Frieden zu durchlaufen, dann ist es wohl eine sehr respektvolle Art auch in diesem schmerzhaften Moment miteinander umzugehen.

Mir erging es vor nicht all zu langer Zeit ganz genauso. Ich habe gespürt, dass sich etwas verändert. In mir. In ihr. Und zwischen uns. Es war nicht mehr ausgewogen. Es hat sich nicht mehr stimmig angefühlt. Und das, obwohl wir dachten, dass wir uns nie wieder verlieren. Als wir uns kennenlernten, war es wie Liebe auf den ersten Blick. Seelenverwandtschaft. Wir fühlten uns wie Schwestern. Aber im Laufe der Zeit haben sich unsere Leben drumherum komplett auf den Kopf gestellt. Wir haben dennoch versucht, um diese Freundschaft zu kämpfen. Na klar. Es gab dann trotzdem diesen einen Punkt, an dem es sich trennte. Und ich bin im Frieden damit. Klar habe ich auch schmerzhaft erkennen müssen, in welche Richtung sie sich entwickelt hat und dass dies eben so gar nicht meinem Wesen und meiner Haltung entspricht. Und es ist okay. Es ist ihr Weg, den sie geht. Und ich gehe meinen. Wir waren für eine scheinbar wichtige Phase im Leben verbunden und uns hat diese Verbindung in dieser Zeit auch unglaublich bereichert, doch nun hat es ein Ende und auch das darf sein.

Ich denke lieber mit einem Lächeln an all die schönen Momente zurück, als dass ich Groll und Wut dahin schiebe, was nicht gut gelaufen ist. Ich bin unglaublich dankbar. Für jede Begegnung in meinem Leben, weil mich jeder Mensch, den ich kennenlerne, an mir selbst wachsen lässt. Ich nehme die Erfahrungen und die daraus entstehenden Erkenntnisse an, beleuchte sie von allen Seiten und nehme sie in mich auf. Ganz friedlich und warm. Und das tut mir und meiner Seele so unfassbar gut.

Kann man sich auf den letzten Blick entfreunden?

Dieser Abend ist still und friedlich. In mir ist es das auch. Und dennoch kreisen meine Gedanken immer und immer wieder um ein Thema, über das ich schon eine Weile lang schreiben möchte. Es ist ein Thema, welches mich beschäftigt, seit ich denken kann.

Es geht um Freundschaft. Was bedeutet es, eine Freundin zu haben? Woran misst man die Qualität einer Freundschaft? Und was sind Gründe, die eine solche Freundschaft beenden können? Urplötzlich. Und geht das überhaupt? Ist eine Freundschaft nicht so etwas wie Liebe? Wenn man sich auf den ersten Blick verlieben kann, kann man sich dann auch auf den letzten Blick entfreunden?

Das sind alles Fragen, die ich hier Wort um Wort mir selbst versuche zu beantworten. Ich habe gerade keinen Plan von diesem Text. Ich weiß nicht, wohin er mich führt. Ich weiß nur, dass ich ihn gerade schreibe und ihn veröffentlichen werde, wenn ich fertig bin und die letzte Frage für mich beantwortet habe.

Was bedeutet es, eine Freundin zu haben?

In der ersten Klasse lernte ich damals ein Mädchen kennen. Ich mochte sie sehr und sie mich. Trotzdem gab es eine Nebenbuhlerin, was diese Freundschaft erschwerte. Diese Nebenbuhlerin ging in der fünften Klasse und es kam eine andere. Die Freundschaft zu dem Mädchen blieb und sie blieb schwierig. Zu dritt ging nicht. Dennoch hätte ich irgendwann mittendrin behauptet, dass sie meine beste Freundin ist. Vor ein paar Jahren heiratete ich meinen Mann und sie wurde meine Trauzeugin. Am Abend vor der Hochzeit zeigt auch sie mir ihren Verlobungsring. Nur wurde nicht ich, sondern die andere ihre Trauzeugin. Ich war unendlich traurig darüber und bin es heute noch tief in meinem Herzen.

Heute habe ich Freundinnen, mit denen ich mir ab und zu schreibe oder Sprachnachrichten schicke. Wir sehen uns hin und wieder und unsere Kinder spielen dann schön miteinander. Es sind angenehme Freundschaften, wenn auch „oberflächlich“ dadurch begründet, dass man sich nur selten sieht. Wir haben einfach nicht die Möglichkeit, tiefer ins Leben der anderen einzutauchen. Direkt da zu sein, wenn wir uns brauchen.

Es sind ganz wenige dabei, mit denen es tiefer geht. Um genau zu sein: eine. Diese Freundschaft ist geprägt von tiefgründigen Gesprächen, sehr viel Respekt und Liebe. Wir sagen uns offen, was wir denken und keiner fühlt sich verletzt. Das ist genau das, was ich an einer Freundschaft so sehr schätze.

Woran misst man die Qualität einer Freundschaft?

Zumindest schon mal nicht an der Häufigkeit der gegenseitigen Besuche, denn nur weil man sich selten sieht, heißt es noch lange nicht, dass es nicht funktionieren kann. Und auch wenn man sich häufig sieht, gibt es keine Garantie für das Gelingen. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Dazu gehört natürlich noch ganz viel Interesse an der anderen und ihren Gedanken, ihrem Leben und ihren Plänen für die Zukunft. Und natürlich kann man auch nicht an der Häufigkeit des Kontaktes messen. Ich habe Freundinnen, mit denen schreibe ich ganz selten und trotzdem werde ich sie nicht so schnell verlieren. Und ich habe welche, mit denen schreibe ich ganz oft und TROTZDEM hab ich das Gefühl, dass ich mit ihnen thematisch auf der Stelle trete. Vielmehr gehören für mich die gemeinsamen Momente zur Qualität. Kann man miteinander lachen und weinen, holt man für die andere die Sterne vom Himmel und würde man im Fall des Falles mit ihr zusammenziehen? Beantworte ich mit ja, weiß ich, dass es tiefer geht.

Was sind Gründe, die eine solche Freundschaft beenden können?

Im ersten Moment denke ich: niemals. Das geht nicht, wenn man gut befreundet ist. Denn was soll einen erschüttern? Fremdgehen kann man ja nicht so direkt und wenn die eine die andere nicht grad beleidigt, dann müsste es doch passen. Müsste. Tut es aber eben nicht immer. Was mich tief bewegt, sind so Momente in denen ich spüre, dass es meiner Freundin nicht gut tut, was ich ihr rate oder sage. Hey, da denke ich, ich kann einer Freundin alles sagen, aber es geht eben nicht. Da sperrt sie sich, weil ich etwas „besser“ weiß, weil es ein Thema ist, mit dem ich mich auskenne. Da komme ich an meine Grenzen und es wirft Fragen in mir auf, wenn sich diese Situation verschärft, in dem mir der Mund verboten wird. Nein. Das fühlt sich dann nicht wie Freundschaft an. Dann mag ich mich zurück ziehen und still und leise leiden, weil ich spüre, dass sich diese Freundschaft zurück bewegt und nicht vor. Weil ich fühlen kann, wie sehr ich nicht gewollt bin. Ich und meine Gedanken und meine Worte. Ja, das ist dann ein Grund zu gehen. Ich bin verletzt. Und mein Herz ist es auch.

Wenn man sich auf den ersten Blick verlieben kann, kann man sich dann auch auf den letzten Blick entfreunden?

Diese Frage bleibt für mich offen, denn auf den ersten Blick verlieben heißt ja, ich wusste vor dem ersten Blick noch nichts von dem Menschen und BÄM war er da. Im Umkehrschluss würde es heißen, dass ich nach dem letzten Blick dann auch nichts mehr von dem Menschen wissen will. Und so ist es ja nicht ganz. Weil die Gedanken weiter kreisen. Was wäre, wenn ich einfach nichts gesagt hätte? Was wäre, wenn mir das Gesagte egal gewesen wäre. Was wäre, wenn … nein. Das ist es gerade, was MIR wichtig ist. Offenheit. Das wünsche ich mir andersrum doch auch so sehr. Und genau dann möchte ich es geben dürfen. In einer Freundschaft, in der beide sich auf Augenhöhe begegnen. Gleichermaßen. Sich alles sagen dürfen, was ihnen wichtig ist. Ohne wenn und aber. Ohne Neid und Missgunst. Ohne Verletztheit. Sondern immer mit dem Wissen, dass es beide niemals böse meinen, weil … ja, weil man sich liebt. Still und friedlich.